Nach Jahren kommt es vor, dass sich die Bremsen sich nicht mehr zurückstellen/ frei werden. Ob diese Problem vorliegt, lässt sich auf einer freien Strecke durch ausrollen lassen des Fahrzeuges bist zum Stillstand ohne Bremsbetätigung analysieren. Im Idealfall (offene Fenster) sind keine Schleifgeräusche zu hören und der Wagen kommt ganz langsam zum Stillstand, wobei am Ende ein völlig weicher Stillstand erreicht werden muss ohne auch nur geringstes Rucken.
Das ist bei nicht mehr optimal arbeitenden Bremsen leider selten der Fall. Da die Vorder- und Hinterradscheibenbremsen ohne Kopplung mit der Handbremse sind, gibt es dafür zwei Hauptursachen. Entweder sind die Belagschächte verschmutzt (Rost, Bremsstaub), oder die Bremskolben gehen nicht mehr sauber/ leicht genug zurück. Nach lösen der Bremsklötze müssen sich die Klötze von Hand in den Schächten hin– und herschieben lassen ohne Werkzeugeinsatz. Wenn das nicht der Fall ist, hilft nur reinigen der Klötze (Seitenflächen) und der Schächte mit dem Dreikantschaber. Leider ist die Ursache bei alten Bremszangen häufig nicht so leicht zu beheben, denn die Bremskolben bewegen sich zu schwer.
Wie funktioniert eigentlich eine Scheibenbremse? Klar, durch den Bremsdruck werden die Bremsklötze gegen die Bremsscheibe gepresst und das führt zur Bremsung.
Aber wie wird die Bremse wieder frei? Bremsscheiben haben eine ganz geringe Unwucht. Bremsscheiben werden auch in der Produktion geschliffen und nicht abgedreht. Mit dieser Unwucht werden nach dem Bremsvorgang die Bremsklötze wieder etwas von der Bremsscheibe weg zurückgedrückt, damit sie nicht schleifen. Also während der Bremsung eine Bewegung der Bremsklötze in Millimeterbereich. Durch diese Konstruktion entsteht auch ein gefährlicher Effekt bei schneller und längerer Autobahnfahrt und starkem Regen. Wasser kann sich zwischen Bremsklötze und Bremsscheibe zwängen und die Bremsklötze weiter als normal zurück drücken. Das kann bei plötzlicher Bremsung zu einem höheren Leerweg der Bremsbetätigung führen.
Also müssen für eine einwandfreie Funktion die Bremskolben einer Bremszange leichtgängig sein. Mit den Jahren quellen die Gummidichtungen „Kolbenringe“ im Bremszylinder und an einer Überholung oder Auswechselung der Bremszangen kommt man nicht vorbei.
Hier ist eine hintere Bremszange zu sehen. Die Kolben waren nicht aus den Zangen zu bewegen. Die obere Kante an den Kolben ist zum raus hebeln ungeeignet, da der Kolben aus Guss ist und der Rand sofort abbricht. Es gibt zwei Möglichkeiten die Kolben heraus zu bekommen. Entweder in eingebauten Zustand die Bremsklötze entfernen und mit der Bremsbetätigung die Kolben heraus drücken, Bremsflüssigkeit läuft dann aus, oder im ausgebauten Zustand mit einer Fettpresse. Vorsichtig bei Drucklufteinsatz. Meine Fingerspitzen sind angeschwollen, aber noch dran. Die Kolben kommen dann explosionsartig aus den Zangen. Das Druckverhalten von Fett ist dagegen gutmütig.
Um Fett in die Bremszange zu pressen ist ein Schmiernippel notwendig. Dazu habe ich in eine Bremsleitungsmutter ein 6 mm Gewinde geschnitten und ein Schmiernippel eingedreht. Der Schmiernippel hat zwar Feingewinde, aber für die Nutzung lässt er sich in 6 mm Normalgewinde zwingen. Irgendein Kolben bewegt sich durch den Fettdruck, der wird dann mit Eisenresten am völligen ausrücken gehindert (Bildmitte) und der Fettdruck wirkt dann auf den anderen Kolben. Das Auseinanderschrauben der der beiden Bremszangenhälften ist nicht zulässig, auch die Dichtungen im Inneren zwischen den Hälften gibt es nicht als Ersatz.
Den Überholsatz gibt es im Handel (ca. 20,- Euro). Die Ablagerungen an den Kolben und die beschädigte Staubschutzmanschette sind sehr schön zu erkennen. Unten rechts im Bild ist der umgebaute Schmiernippel/ die Bremsleitungsmutter zum Auspressen mit Fett. Die Bremszange wurde gereinigt (Fett mit Druckluft ausblasen), die „Kolbenringe“ ausgewechselt, die Kolben mit 600 derter Schmirgel gereinigt/ poliert (Drehbank) und mit der ATE Bremspaste wieder montiert. Vor der Montage wird die Leichtgängigkeit der Kolben von Hand getestet. Eingefettet (ohne Kolbenringe) müssen sie von Hand rein und rausgehen ohne Werkzeugeinsatz. Die Montage/ das Einpressen der Staubschutzkappen, innen mit Stahlkrallen, war problematisch. Dafür wird in der Anleitung eine Spezialzange genannt. Es funktioniert auch mit einem Pressstück (Außendurchmesser Staubschutzkappe) und einer Schraubzwinge.
Nachdem die Bremsanlage überholt wurde, muss natürlich der Hydraulikkreislauf entlüftet werden. Es ist eine viel zeitraubendere Beschäftigung, als man denkt. Eine Pagode komplett (neue Leitungen, neue Schläuche, neue/ überholte Zangen) entlüften, dauert über eine Stunde. Wenn man das Fahrzeug auf vier Unterstellböcke stellt, kommt man gut an die Entlüfternippel. An der entferntesten Bremszange hinten rechts beginnen. Immer auf das Nachfüllen des Vorratsbehälters vorne am Hauptbremszylinder achten. Es kommt auch noch Luft, nachdem man kaum noch damit rechnet. Fünf mal Bremse durchtreten/ Pumpschläge ohne geringste Luftblasen ist Minimum. Wenn nach Reparatur, die Bremse sich zu weich anfühlt und zu weit durchtreten lässt, liegt es nicht immer an Lufteinschlüsse, aber zu 99%.
Falls alles auseinander war, der Exenterbolzen, vorne am Hauptbremszylinder vor der Unterdruckdose muss zur Spritzwand zeigen, auch an der Kerbe auf dem Schraubenkopf zu erkennen. An allen Bremszangen muss der Entlüfternippel oben sein, die Bremszangen lassen sich auch seitenverkehrt einbauen.
Achtung, Bremsflüssigkeit ist aggressiv, giftig und frisst sofort den Autolack an !!!!!!